3. Juli 2025
Es ist jetzt fast dreißig Jahre her, dass ich den Filmklassiker Forrest Gump im Kino gesehen habe. Damals war ich ein Teenager, und wahrscheinlich habe ich die Hälfte des Films nicht wirklich verstanden. Aber ich erinnere mich noch sehr lebendig an diese Szene: Forrest Gump sitzt auf der Bank an der Bushaltestelle und erzählt der Dame neben ihm, dass ihm als Football-Star, Kriegshelden und nationaler Berühmtheit von seiner Heimatstadt Greenbow, Alabama, ein großartiger Job angeboten worden sei. Und im nächsten Bild sehen wir ihn auf einem fahrbaren Rasenmäher sitzen und das Gras auf dem Football-Feld mähen. Dafür gab es Gelächter im Kino. Und die Szene geht noch weiter: Sein Freund, Lieutenant Dan, investiert Forrests Geld in Apple-Aktien, was Forrest Gump unglaublich reich macht. Und dann sagt Forrest Gump zu der Dame neben ihm diesen Satz: “And because I was a gazillionaire and I liked doing it so much, I cut that grass for free.“ Und auch da wurde natürlich gelacht. Alle Menschen, die den Film gesehen haben, wissen, dass Forrest Gump einen eher unterdurchschnittlichen IQ hatte. Und die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer haben auch verstanden, dass er dennoch (und vielleicht auch ein bisschen genau darum) über eine enorme Weisheit verfügte. Ich bin mir aber nicht sicher, wie vielen klar ist, welche profunde Erkenntnis in der Rasenmäher-Anekdote steckt. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen? Ein Mann, dem aufgrund seiner Verdienste alle Türen offen stehen sollten, freut sich wie ein Kind, dass ihm ein Job ausgerechnet als Platzwart angeboten wird? Und dann verzichtet er auch noch freiwillig auf sein Gehalt? Das mag ja schön sein in kitschigen Hollywood-Filmen, aber in der ernsten Realität unserer Arbeitswelt ist das doch eher naiver Quatsch – oder? Irgendwann, an der Schwelle vom Kind zum Erwachsenen, wird uns klar gemacht, dass Arbeit und Vergnügen voneinander zu trennen sind. Es gilt: “Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.” Und, na klar: “Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps.” Und wer jetzt glaubt, das seien verstaubte alte Sprüche, der kann sich mal auf Business-Plattformen wie LinkedIn umschauen, wie oft die Maxime “Work hard, play hard” verkündet wird. Da geht es dann meistens um Vergnügungen im Kreis der Kolleginnen und Kollegen, wilde Partys, aufregende Teambuilding-Events, gemeinsame Reisen in die Sonne. Alles ein großer Spaß, den man sich aber vorher ausdrücklich durch besonders harte Arbeit verdient hat. Ich glaube nicht, dass Forrest Gump auf seinem Rasenmäher solche Gedanken hatte. Wer Tom Hanks in dieser Rolle sieht, spürt seine pure Freude und tiefe Befriedigung. Und das nicht etwa bei einer Arbeit, die besonders kreativ oder überhaupt nur produktiv ist. Sie ist auch weder hoch angesehen noch hochbezahlt. “Work hard, play hard” gibt es nicht für Forrest Gump – weil Arbeit und Spiel bei ihm eins sind. Und darin besteht das Geheimnis dieser Geschichte. Arbeit aus Spaß Wenn wir als Erwachsene an “Spielen” denken, dann meist entweder als Beschäftigung von Kindern oder als Hobby mit einem festen Satz an Regeln, wie beim Fußball zum Beispiel. Ziemlich sicher denken wir nicht an unsere Arbeit, mit der wir unser Geld verdienen. Aber warum zwingen wir uns zu dieser künstlichen Trennung? Vielleicht weil wir nur dem einen Wert zugestehen, was wir auch in Euro beziffern können? Oder weil wir der Arbeit einen ernsthaften Zweck beimessen, sie als “sinnstiftend” betrachten, ihr einen “Purpose” zuordnen? Warum auch sonst sollten wir diese Arbeit erledigen? “Aus Spaß” – das ist eine Antwort, die uns auf den ersten Blick irritiert. Sie scheint der nötigen Ernsthaftigkeit und Bedeutung unserer Arbeit nicht gerecht zu werden. Aber erlauben wir uns doch mal den Gedanken: Wie würde es denn aussehen, wenn wir unsere Arbeit einfach aus Lust und Laune machen würden? Vielleicht so wie Forrest Gump auf seinem Rasenmäher. Kickertisch und Lego im Büro? Wenn ich für die Betrachtung von Arbeit als Spiel plädiere, dann meine ich eines damit allerdings explizit nicht: den inzwischen zum Klischee verkommenen Kickertisch im Büro. Es geht nicht um eine unternehmenskulturell verordnete “Happiness”, die an unser Tagwerk gewissermaßen angeflanscht wird. Es geht um etwas, das viel tiefer in uns liegt: unsere Haltung, unser Blick auf das Leben insgesamt. Es geht um eine gedankliche Öffnung und das Einreißen der Barriere in unseren Gehirnen, die uns sagt, dass Arbeit in erster Linie ernst und hart zu sein hat, und Spaß bestenfalls ein willkommenes Nebenprodukt. Forrest Gump hatte das Glück, mit seiner spielerischen Einstellung geboren zu sein, und vor allem die intuitive Weisheit, sich auch später im Leben nicht davon abbringen zu lassen. Wir dagegen müssen diese spielerische Haltung neu lernen, weil wir sie in der Kindheit zurückgelassen haben. Und nochmal: Es geht dabei nicht darum, im nächsten Workshop mit Legosteinen zu arbeiten. Es ist eigentlich viel einfacher als das – und gleichzeitig schwer, weil es an unser Inneres geht. Aber das nächste Mal, wenn Sie in einem schwierigen Meeting sitzen, wenn die Ergebnisse schlechter sind als erhofft, oder wenn Sie Ärger mit einem Kollegen haben, erlauben Sie sich einfach mal den Gedanken: “Das hier ist ein Spiel, das wir zusammen spielen.” Und dann schauen Sie mal, was das mit Ihnen macht.